Leitzinssenkung – wirklich eine effektive Konjunkturstütze?

Nachdem es so viele Experten und Ökonomen bereits vorausgesagt hatten, ist es gestern geschehen: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins, über den sie den Tagesgeldsatz am Interbankengeldmarkt steuert, zum ersten Mal seit ihrem Bestehen unter die Grenze von einem Prozentpunkt gesenkt (siehe dazu unsere Statistiken hier). Der EZB-Rat votierte auf der gestrigen Ratssitzung für eine Absenkung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf nun 0,75 Prozentpunkte. Obwohl der EZB-Rat damit eine unabhängige Entscheidung getroffen hat und sich auch von Politikern keine Handlungsempfehlungen diktieren lässt, ist diese Entscheidung Tage im Vorhinein prognostiziert worden. Offensichtlich ist dies auch ein Zeichen für die angespannte konjunkturelle Lage in der Eurozone, die es nun durch noch billigeres Geld zu stimulieren gilt. Die Reaktionen auf die Zinssenkung der Zentralbank sind weitestgehend positiv, dennoch gibt es auch skeptische Stimmen.

Mehrere Volkswirte äußerten sich am gestrigen Donnerstag verhalten zum geldpolitischen Schritt der EZB. Die Zinssenkung sei nicht zwingend gewesen, aber dennoch vertretbar. Insbesondere sind die Genossen skeptisch, ob die Senkung unter die historische Zinsgrenze einen merklichen Anteil zur Stimulierung der Konjunktur in Europa leisten kann. Die Refinanzierungskosten der Geschäftsbanken sind ohnehin schon auf einem sehr niedrigen Niveau. Der Interbankenzins, der nun deutlich unter die Marke von einem Prozentpunkt sinken dürfte, ist schließlich nicht das einzige Instrument. Erst zu Beginn des Jahres hatte die EZB über einen Dreijahrestender eine Unmenge an Liquidität in den Markt gepumpt und schon mit dieser Maßnahme dafür gesorgt, dass die Sparzinsen drastisch gefallen sind. Diese Tendenz dürfte nun aufgrund der sinkenden Refinanzierungskosten der Banken weitergehen. Den Banken werden die Einlagen ihrer Kunden nun ebenfalls keine großen Prozente mehr wert sein.

Hinsichtlich des Konjunkturimpulses schreiben die Volkswirte, dass die Finanzierungskosten derzeit nicht der ausschlaggebende Punkt für die ausbleibenden Investitionen seien. Aufgrund der schwachen Konjunktur, insbesondere in den europäischen Peripheriestaaten, befinde man sich möglicherweise auch in einer Investitionsfalle, in der sinkende Zinsen keine Investitionen und demnach auch keinen Konjunkturschub mehr auslösen können, da die wirtschaftlichen Aussichten schlecht sind.

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